Das Macchiato-Glück Wenn es einen früher
inmitten städtischen Treibens nach Kaffee gelüstete,
gab es überhaupt kein Vertun: Man begab sich stracks in
die nächste Koffein-Ausgabestelle, die meist unschwer an
Worten wie Café oder Konditorei zu erkennen war. Dortselbst
suchte man sich eine vorzugsweise mit grauenhaftem Muster entstellte
Sitzgelegenheit, ließ sich mit Tüten und Päckchen
häuslich nieder und übermittelte dem flugs herbeischwebenden
Bedienungspersonal mit dezent gesenkter Stimme den Wunsch "einen
Kaffee bitte". Hiernach musste die Grundsatzfrage "Tasse
oder Kännchen" geklärt werden, und alsbald durfte
man ein Gefäß schwarz dampfenden Inhalts verwalten. Wer in diesen Cafés à la mode einfach nur seine harmlose alte Koffeinsucht befriedigen möchte und "einen Kaffee bitte" bestellt, läuft leicht ins Leere. Versuchen Sie's mal: Mit hochgezogenen Augenbrauen werden die Verkaufskräfte so etwas wie einen Test starten, bei dem man Auskunft erteilen muss, ob es denn ein Espresso, ein Espresso Macchiato, ein Caffè Latte (oder auch Latte Macchiato) oder ein Cappuccino sein soll, den man hier zu Lande stupido! auch jenseits des Frühstückhörnchens schlürft. Das Spektrum ist damit längst nicht ausgelotet. Hat man die Phase des Haderns mit den italienisch klingenden Kaffees, die mit der oft herb amerikanisch anmutenden Einrichtung eigenartig kontrastieren, endlich hinter sich, folgt die nächste Prüfung: Ob man es gerne regular, intense oder strong hätte, will die abgebrüht freundliche Servicekraft wissen. Danach folgt die raffinierte Form des klassischen "Tasse oder Kännchen"-Konflikts auf Anglo-Italienisch: short, tall, grande oder x-grande? So trinkt sie, die neue Welt. Wer da noch mit stinknormalem Filterkaffee kommt, tröpfelt unentschuldbar am Geist der Gegenwart vorbei. (Quelle: prisma, Wochenmagazin, Artikel von Hans Hoff) |